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Reisen und freizeit

Eintauchen ins Französische

Am Institut de Français in Villefranche-sur-Mer wird Wert auf die mündliche Sprachfertigkeit gelegt.

Sprachschulen gibt es in Frankreich an jeder Ecke, die Angebote unterscheiden sich aber stark. Ganz auf Erwachsene ausgerichtet ist das Institut de Français an der französischen Riviera. In einer ehemaligen Villa mit Meersicht sind die Lernenden fast rundum betreut.

Die Liste liest sich wie ein «Who’s who». Königin Sonia von Norwegen ist vermutlich aus Sicher- heitsüberlegungen nicht darauf zu finden – einen bleibenden Eindruck am Institut de Français hat die Monarchin aber alleweil hinterlassen. «Jeder hat sie nur Sonia genannt»,sagt Frédéric Latty, der pädagogischer Leiter der renommierten Sprachschule in Villefranche-sur-Mer, wenige Kilometer von Nizza, wo seit 1969 nach einer selber entwickelten Methode unterrichtet wird. «Sonia», wie er ausführt, habe keinerlei Sonderbehandlung gewollt – und das hat durchaus System am Sprachinstitut, das in einer ehemaligen Villa an erhöhter Lage und mit unverbautem Blick aufs Mittelmeer in untergebracht ist.

Bewusst keine Spezialkurse imAngebot

So fehlt am Institut de Français nicht nur die Sonderbehandlung für sogenannte VIP, sondern es gibt auch keinerlei Spezialkurse, etwa für Piloten, Mediziner, Ingenieure oder Rechtsanwälte. «Diesen Modetrend machen wir aus Überzeugung nicht mit», meint der Schulleiter. Hierfür brauche es keine Schule, da genüge es, ein Wörterbuch zur Hand zu nehmen und das spezifische Vocabulaire zulernen. Frédéric Latty ist von der Methode in Villefranche-sur-Mer, eine gemeinsame Sprache zu lehren, überzeugt – und mit ihm die häufig wieederkehrenden Persönlichkeiten aus aller Welt, die auf einem Blatt Papier, fein säuberlich und nach Herkunftsländerngeordnet,aufgelistet sind und mit ihrem Namen für die Schule werben. Der Parlamentarier Adrian Amstutz, der angesichts der Schwärmereien viele Freunde in Villefranche haben muss hat, ist auf der VIP-Liste zwar noch nicht zu finden. Immerhin aber kann sein Aufenthaltander Cote d’Azur als weiteres Indiz dafür gewertet werden, dass sich der Berner für höhere politische Aufgaben vorbereitet, auch sprachlich, was ohnehin nicht schaden kann.

Doch auch Normalsterbliche werden am Institut de Français zugelassen, ja sie machen nach wie vor die grosse Masse aus, wie Latty, der seit knapp 20 Jahren an der Schule ist, bestätigt. Limitierend ist allein das Alter, da das Institut primär Erwach- sene anspricht und kein Jugendlager sein will. Das Mindestalter liegt bei 21 Jahren, gegen oben sind die Grenzen offen. Nicht nur Monarchen, Politi- ker oder Geschäftsleute kommen hierher, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, hat es doch auch viele Pensionäre, denen die Strategie behagt, von morgens früh bis abends spät Französisch zu hören, in erster Linie aber auch zu sprechen, ohne auf aber die touristischen Vorzüge dieser sonnenverwöhnten Region missen zu müssen.

«Das alleinistunser Erfolgsrezept»,sagt Frédéric Latty. Natürlich tragen die schöne Umgebung, das angenehme Klima, die Nähe zu Nizza und die stilvoll eingerichtete Villa dazu bei, im Verkaufsgespräch zu überzeugen. Zentral ist aber, die vier Kurswochen in Villefranche so effektiv wie möglich zu gestalten. Um dies zu schaffen, hat sich das Management einiges ausge- dacht. Fast nur noch träumen können die Studie- renden in ihrer eigenen Sprache, derweil sie wäh- renddesTagesinderSchule(undausserhalb) der «Überwachung» ausgesetzt sind. Schon frühmor- gens beim Frühstück, das wie das Mittagessen an der Schule gemeinsam eingenommen wird. Auch dafür werden die Lehrkräfte eingesetzt, die alle, wie Fredéric Latty betont, ein vierjährigesUni- versitätsstudium hinter sich haben und speziell darin ausgebildet sind, Fremdsprachigen Franzö- sisch beizubringen. Wer sich trotzdem in seiner Muttersprache verständigt und ertappt wird, muss zahlen. «Einen Euro pro Fehltritt», sagt der Schulleiter, der mit dem gesammelten Geld jeweils Champagner für die Abschiedsparty kauft.

Verstärkt wird diese immerwährende Kon- frontation mit der französischen Sprache dadurch, dass in erster Linie mündlich gearbeitet wird, auch mit den Anfängern, die kaum ein Wort verstehen, geschweige denn sprechen. «Schriftlich beschäftigen wir die Lernenden nur bei den Haus- aufgaben», führt Latty weiter aus. Fast alles andere oder rund 80 Prozent des gut achtstündi- gen Unterrichts pro Taginklusive Frühstück und Mittagessen – läuft mündlich ab, in den Klassen, während des Essens, in den kurzen Pausen, im Sprachlabor oder in den «séances pratiques», die jeweils nach dem Mittagessen von 13 bis 14 Uhr die Konzentration schärfen. Da werden einfache Alltagssituationen drillmässig eingeübt, etwa das Telefongespräch, das Einkaufen auf dem Markt oder der Smalltalk. «Wir müssen die kurze Aufenthaltsdauer unserer Studierenden bestmöglich nutzen», wiederholt Latty immer und immer wieder. Diese Überzeugung kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Schulleitung die Schüler am liebsten nach vier Wochen wieder nach Hause schickt. Mehr als zwei Monate am Institut de Franc ̧ais zu verbringen, ist «unerwünscht», da die Unterrichtsmethode nicht auf monatelange Auf- enthalte ausgerichtet ist. Die Mindestdauer be- trägt zwei Wochen, zu Kursbeginn ist ein Einstu- fungstest zu absolvieren.

Für die Qualität der Sprachschule, die höchs- tens 80 Lernwillige pro Kurs aufnimmt, spricht auch, dass die Lehrer lange an der Schule verwei- len.«DieFluktuationliegtbeinull»,sagt Frédéric Latty, der selber zehn Jahre am Institut unterrich- tet hatte, bevor er in die Geschäftsführung wechselte. Auch die Kundentreue ist hoch, kommen doch 20 Prozent ein zweites, ja sogar drittes Mal nach Villefranche-sur-Mer. Von den 8 : 50 Studierenden im vergangenen Jahr – darunter viele, die nicht aus beruflicher Notwendigkeitsondernder Freude an der Sprache wegen, also in den Ferien, kamen – stammten 250 aus den USA und 85 aus der Schweiz. Damit sind die Schweizerinnen und Schweizer drittwichtigste Zielgruppe im Markt. Grössere Verschiebungen zeichnen sich nicht ab, einzig Russland macht sich – wie überall im Tourismus – stärker bemerkbar.

In Nizza die touristischen Reize erkunden

Wer das Institut de Français übers Wochenende verlässt – zumindest in dieser Zeit haben die Leh- rer keinerlei Kontrolle –, findet in der Umgebung von Villefranche-sur-Mer viel Sehenswertes. Mit dem Bus ist etwa Nizza, das in den vergangenen JahrenstädtebaulichvielfürdieFussgängergetan hat, in rund zehn Minuten zu erreichen. Und dort lassen sich die frisch erworbenen Französisch- kenntnisse hervorragend testen, bevor am darauf- folgenden Montag in den Klassenzimmern der Villa wieder eiserne Disziplin gefordert ist.

Jan Mühlethaler

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2. Juni, 2023