Wer tischlern will, braucht Holz, wer fremde Sprachen sprechen will, braucht Zunge und Ohr. In dieses Bild läßt sich die Methode stellen, die das Institut Français, Villefranche-sur-Mer an der Côte d’Azur mit großem Erfolg anwendet. Entwickelt wurde sie wissenschaftlich vom Ecole Normal Supérieur de St. Cloud und vom Institut für Phonetik der Universität Zagreb. Der Kulturdienst des französischen Außenministeriums gab seine Forschungsergebnisse hinzu. Doch was da auf höchstem Erkenntnisstand zusammengefügt wurde, ist keine Zauberformel für Französisch. Sie ist nichts als eine Formel, die harte Arbeit zu höchster Effektivität bringt. So versteht man das Rezept am leichtesten : In Villefranche taucht der Schüler ins Französische. Und wie das so ist beim Tauchen : Hin und wieder verdunkelt sich der Horizont, hier und da bleibt auch die Luft weg.
Urlaub ist das nicht
… Alle Zungen dieser Erde kommen nach Villefranche, um die eine Zunge zu trainieren. Das Institut bietet Kurse von vier Wochen an. Viele Schüler bleiben auch acht oder zwölf Wochen. Deutsche Firmen und Schweizer Banken bieten zum Teil ihren Mitarbeitern die Chance, in Villefranche ihr Französisch zu polieren – oder aber ganz neu an diese Sprache herangeführt zu werden.
Urlaub ist das nicht, was dort an der zauberhaften Côte d’Azur auf den Kursteilnehmer wartet. Etwa 60 Erwachsene zwischen 18 und 70 haben sich am ersten Tag um 8.30 Uhr im Eßsaal der Schule eingefunden. Man frühstückt, doch es ist das letzte Mal, daß man in einer Muttersprache nach Butter oder Brötchen fragen darf. Von morgen an heißt es dann gnadenlos beurre und petit pain. Dann geht es zum Test, der den Wissensstand herausfiltert und den angemessenen Kurs bestimmt …
Während die Tests noch ausgewertet werden, werden die ,,Schüler’’ in ihre Appartements gebracht. Die Organisation ist vorzüglich, und sie ist straff. Doch zweifellos liegt in dieser Strenge ein Teil des Erfolges. Die 60 Schüler werden in sechs Leistungsgruppen aufgeteilt. Der Arbeitstag hat hier für die Schüler achteinhalb Stunden. Fünfdreiviertel davon sind reine Unterrichtszeit (reichlich Zeit zum ,,Tauchen’’).
Die Kursteilnehmer werden voll gefordert. Die Stunden sind unterteilt in grammatische Übungen, in Konversation und in Sprachlabor-Training. Zwei Mahlzeiten werden gemeinsam in der Schule eingenommen – zu – sammen mit den Lehrern und unter Anwendung der langsam, aber sicher wachsenden französischen Sprache.
Die Schule selbst ist in einer alten provenzalischen Villa untrgebracht, die durch Um- und Neubauten modernen Anforderungen sehr gut gewachsen ist.
Sie liegt hoch über der malerischen Bucht von Villefranche mit Blick auf die Bucht und auf Cap Ferrat. Läßt das Wetter es zu, so findet der Unterricht im Freien statt – in einem üppigen, wundervollen Garten.
Die Schüler wohnen in geräumigen, gut ausgestatteten Ein-, Zwei- oder Drei-Raum-Appartements, die von angemietetem Personal gewartet werden. Tischund Bettwäsche werden gestellt, ebenso Handtücher…
Zum Abschluß ein Diner
Aber nicht nur die strenge Ordnung am Institut und das ausgeklügelte System der Spracherziehung tragen zum Erfolg bei. Zweifellos gibt die reizvolle Umgebung von Villefranche psychologische Hilfen. Nizza ist vier Kilometer entfernt und mit dem Bus erreichbar. Fest eingeplant in das Angebot des Instituts ist ein Tagesausflug nach Grasse und Tourrettes sur Loup, ebenso ein geselliges Beisammensein bei kaltem Buffet und Tanz in der ersten Woche zum gegenseitigen Kennenlernen.
Es steht nicht im Programm, aber es ist inzwischen charmanter Brauch geworden, daß die Schüler zum Abschluß ihre Lehrer zum Diner einladen – ein Danke – schön für vier Wochen harte achteinhalb Stunden am Tag. Doch die Freude überwiegt, Freude an der gewonnenen Sicherheit in einer Sprache, wegen der man doch verunsichert nach Villefranche gereist war.
MARIA-THERESIA BAUMANN